Wann, wenn nicht jetzt? Ein Plädoyer für die Verbeamtung der Berliner Lehrkräfte
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus steht vor der Tür. Seit jeher und bis heute ist die Kulturhoheit der deutschen Länder ein hohes Gut. In konkrete Politik umgesetzt bedeutet das: Die Länder entscheiden über die Schulen und ihr Personal. Für Lehrerinnen und Lehrer in Berlin heißt das: Mit der Wahl zum Abgeordnetenhaus wird über ihre Arbeitswelt in den nächsten Jahren entschieden. Diese Wahl ist auch deshalb von besonderer Bedeutung für uns alle. Wie die Schülerinnen und Schüler in Berlin unterrichtet werden, entscheidet sich in erster Linie über die Rekrutierung ausgebildeter, qualifizierter und motivierter Lehrkräfte. Hier hat Berlin Nachholbedarf.
Wie kann man solche Lehrkräfte nach Berlin lotsen? In erster Linie dadurch, dass man ihnen attraktive Arbeitsbedingungen bietet. Entscheidende Schritte in dieser Hinsicht sind bislang nicht gemacht worden. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahrzehnten ist nicht nur das Deputat, also die Zahl von Wochenstunden, die man Unterricht zu halten hat, erhöht worden, auch die Anzahl der Aufgaben, die Lehrkräfte neben dem Unterricht zu leisten haben, wurde größer und größer. Und in den letzten Jahren nimmt auch die Klassenfrequenz kontinuierlich zu. Dabei ist es nicht nur psychisch belastender, 26 oder gar 32 Schülerinnen und Schüler zu unterrichten als 20. Nein, auch die Dauer der Arbeit nimmt mit steigender Klassenfrequenz zwangsläufig zu. Mehr Klassenarbeiten zu korrigieren, dauert eben länger. Man darf festhalten: In Zeiten des Fachkräftemangels wird die Tätigkeit der Lehrerin und des Lehrers eher unattraktiver.
Ganz sicher kommen qualifizierte Lehrkräfte nicht nach Berlin, wenn sie dort weniger attraktive Arbeitsbedingungen vorfinden als in anderen Bundesländern. Und leider ist es so, dass Berlin die unattraktivsten Bedingungen bietet. Die im gesamten Bundesgebiet einzigartige Weigerung, Lehrerinnen und Lehrer als Beamte einzustellen, macht Berlin als Arbeitgeber arm und unsexy. Das sieht man zum Beispiel daran, dass mit diesem Schuljahr allein 700 qualifizierte Kolleginnen und Kollegen abgewandert sind.
Je nach Berechnung verdient eine Lehrkraft in Berlin etwa 250.000 Euro weniger in ihrem Berufsleben als in einem anderen Bundesland. Das ist für die meisten Lehrkräfte vermutlich nicht einmal der ausschlaggebende Grund, Berlin zu verlassen (im Gegensatz zu anders lautenden Gerüchten sind die meisten Kolleginnen und Kollegen intrinsisch und nicht monetär motiviert). Schwerer wiegt die erheblich bessere Absicherung von Beamtinnen und Beamten gegenüber Angestellten im Krankheits- und Arbeitsunfähigkeitsfall. Auch die deutlich bessere Altersversorgung (Pension versus Rente) schlägt hier durch.
Selbstverständlich wird eine mögliche Verbeamtung der Lehrkräfte in Berlin den Lehrerinnen- und Lehrermangel nicht auf einen Schlag beenden. Sie kann jedoch dazu führen, dass Berlin gleiche Chancen beim Werben um Lehrkräfte hat wie andere Bundesländer. Für junge Lehrerinnen und Lehrer ist Berlin als Wohn- und Arbeitsort gewiss attraktiv. Dieses Licht stellt der Senat aber quasi unter den Scheffel der Nichtverbeamtung.
Berlin könnte seine Nachteile als Arbeitgeber auch auf andere Weise ausgleichen: Ein deutlich niedrigeres Deputat als andere Bundesländer, niedrigere Klassenfrequenzen als in anderen Bundesländern, bessere Ausstattung der Schulen mit Verwaltungskräften, mit Mobiliar, mit technischer Infrastruktur, mit architektonischer Qualität als in anderen Bundesländern. Das alles hat Berlin nicht gemacht. Es gibt keine Kompensation für die Verweigerung der Verbeamtung.
Wie sich die in Berlin mit einiger Aussicht auf Wahlerfolg antretenden Parteien im Hinblick auf eine mögliche Verbeamtung der Berliner Lehrkräfte positioniert haben, ist auf den folgenden Seiten dokumentiert.
Antrag auf Verbeamtung von der Interessenvertretung der Berliner Schulleiter:innen (IBS) - Ablehnung durch die Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Familie:
Seite 1, Seite 2
Statement von Berliner Parteien.
Stimmen von jungen Lehrer:innen.
VBE-Postkartenaktion an alle Berlin Abgeordneten.