19. März 2025

Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD

„Verbrannte Erde löscht man nicht“ VBE erwartet Investitionen und Innovation statt Projektitis

„Wir brauchen nicht noch mehr Projekte, mit denen in kurzer Zeit mit einem Minimum an Investitionen das sowieso Erwartete umgesetzt werden soll. Wir brauchen mehr!

Wir erwarten, dass mit dem Koalitionsvertrag Mut bewiesen wird, die richtigen Prioritäten zu setzen. Infrastruktur beginnt immer mit Bildung. Sie ist Grundstein aller Berufe und damit Teil der Antwort zur Behebung des Fachkräftemangels und Basis für Wirtschaftswachstum. Das muss sich auch am Investitionsvolumen ablesen lassen“, fordert Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), mit Blick auf die aktuell laufenden Koalitionsverhandlungen – und auch im Vorfeld der Abstimmung zum Sondervermögen, die am Dienstag stattfinden wird.

Er macht deutlich:

Mit Projektitis werde versucht, verbrannte Erde zu löschen. Das Bildungssystem brauche aber langfristige Perspektiven.

Zentral für alle Vorhaben sei, dass Personal gewonnen, bestmöglich ausgebildet, kontinuierlich qualifiziert und gesundgehalten wird.

Zuständigkeiten im Mehrebenensystem müssen klar geregelt sein, aber Zusammenarbeit und gemeinsame Finanzierung ermöglichen.

Sprachstandstests müssen das bestmögliche Fortkommen im Bildungssystem durch daraus folgende Förderung ermöglichen.

Im frühkindlichen Bereich sollen bestehende Förderstrukturen genutzt und mit entsprechendem Investitionsvolumen ausgestattet werden.

Zu diesen Punkten führt er aus:

Langfristige Perspektiven statt einzelne Projekte

Im Sondierungspapier zeige sich Projektitis. Wenn aber Kinder und Jugendliche gerechte und gleiche Bildungschancen haben sollen, um mit Lernfreude und Leistungsbereitschaft eine hervorragende Bildung zu erhalten, gehöre dazu mehr, so Brand: „Es gibt Herausforderungen im Bildungssystem, die seit Jahrzehnten bestehen und sich beständig zuspitzen. Nach Jahren der Unterfinanzierung nun für drei bis fünf Jahre Geld ins System zu geben, wird kein Problem lösen. Politik scheint der Meinung zu sein, dass es hilft, verbrannte Erde zu löschen. Wir brauchen aber vor allem langfristige und nachhaltige Unterstützung, die früh ansetzt.“

Fachkräftemangel und -qualifizierung

Dreh- und Angelpunkt ist für Brand der akute Fachkräftemangel im Bildungssektor, sei es im frühkindlichen Bereich, unter Lehrkräften oder weiteren pädagogischen Professionen. „Kein einziges zusätzliches Vorhaben wird sich innerhalb der nächsten Jahre umsetzen lassen, wenn nicht massiv Personal gewonnen wird, das dabei unterstützen kann, die vielfältigen Herausforderungen zu schultern. Deshalb muss um mehr Personal geworben werden, das angemessen qualifiziert, kontinuierlich fort- und weitergebildet und gesundgehalten wird.“

Allerdings halte er nichts davon, den Bedarf nur mit Seiteneinsteigenden zu decken: „Davon abgesehen, dass in Bundesländern mit besonders hohen Bedarfen nicht mal mehr ausreichend Personen im Seiteneinstieg gefunden werden, bleibt es bei unserer Positionierung: Der Personalbedarf an Kitas und Schulen sollte mit originär ausgebildeten Lehrkräften gedeckt werden. Die Meldungen, dass seit 2022 die Geburtenrate wieder sinkt, darf uns nicht in den nächsten Schweinezyklus bringen. Wir brauchen jede Kraft. Auch in fünf Jahren. Das System hat in den letzten Jahren unter höchstem Druck funktionieren müssen. Das hat viele Lehrkräfte krank gemacht und führt auch dazu, dass mehr als üblich nicht bis zum Regelrenteneintrittsalter im Beruf bleiben. Die in Aussicht stehende Entlastung durch kleinere Lerngruppen, eine Doppelbesetzung oder die Unterstützung von Lehrkräften mit Zusatzqualifizierungen wie Deutsch als Zweitsprache sind ein Hoffnungsschimmer!“

Zuständigkeiten im Mehrebenensystem

Der VBE bekennt sich zum Föderalismus. Die Zusammensetzung der AG Bildung, Innovation, Wissenschaft bildet die Verantwortlichkeiten im Mehrebenensystem ab. Mitglieder des Bundestages sitzen am Tisch mit Ministerinnen und Minister der Länder sowie tragenden Personen der beteiligten Parteien. Brand betont: „Diese Zusammenstellung ist eine echte Chance, da von vornherein die Positionen von Bund und Land abgeglichen werden. Es ist zu hoffen, dass auch die dritte Ebene, die Kommunen, ausreichend eingedacht werden. Schließlich sind sie es, die am Ende die Finanzierung stemmen bzw. Investitionen verteilen müssen.“

Relevante Investitionsbereiche und Bedarfsorientierung

Mit Blick auf die große Dringlichkeit und die geringen Möglichkeiten vieler Kommunen setzt sich der VBE für eine Sanierungsoffensive ein. Zudem hatte Brand schon im letzten Frühjahr einen „Digitalpakt für die Ewigkeit, wenn man so möchte“ eingefordert. Nicht zuletzt wird es in einigen Bundesländern weiterhin als große Herausforderung angesehen, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab dem Schuljahr 2026/27 umzusetzen. „Die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist ein grundgesetzlich verbrieftes Recht, das es einzulösen gilt. Das heißt aber auch, dass der Heterogenität vor Ort Rechnung getragen werden muss. Ein Teil der Investitionssummen sollte daher nach sozio-ökonomischen Faktoren vergeben werden“, fordert Brand.

Sprachstandstests: Gewährleistung individueller Förderung gefordert

Ein aktuelles Politikum und eine der wenigen konkreten Forderungen aus dem Sondierungspapier sind Sprachstandstests. Diese werden unter viel Aufwand durchgeführt und binden Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Durch den Mangel an Personal, Fortbildungen und Kooperationszeit können zudem kaum ausreichend Konsequenzen erwachsen. Der VBE-Chef warnt: „Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass die Tests nur dafür verwendet werden, Kinder von dem Schulbesuch abzuhalten. Jede Forderung nach Sprachstandstests bleibt daher Makulatur, wenn nicht von vornherein eine auf dem Testergebnis basierende Förderung gewährleistet werden kann. Deshalb braucht es ein Umdenken! Sprachstandstests müssen im Sinne der Chancengerechtigkeit die Integration von Kindern, deren bestmögliche Entwicklungsunterstützung und damit ihr Fortkommen im Bildungssystem im Fokus haben.“

Frühkindlicher Bereich: Bestehende Förderungsstrukturen nutzen

Im Sondierungspapier wurde zudem aufgeführt, Sprachkitas wieder einzuführen. Dieser Vorschlag wird begrüßt, wenngleich eine langfristige Perspektive angemahnt wird. Auch solle das Startchancen-Programm auf die Kitas ausgeweitet werden. Davon abgesehen, dass dies nicht zu einer Verminderung der Investitionssumme für schulische Bildung führen dürfe, stellt Brand klar: „Das Kita-Qualitätsgesetz bietet viele Ansatzpunkte. Es ist eine bekannte, gut verhandelte Struktur, die weiter finanziert werden sollte – anstatt das Rad neu zu erfinden. Wir fordern daher, die bestehenden Strukturen über 2026 hinaus mit einer angemessenen Investitionssumme zu bedenken. So kann das gleiche wie mit den angedachten Projekten geleistet werden – nur besser und schneller.“ VBE Bund