27. August 2018

dbb beamtenbund und tarifunion

Urlaubsentgelt nach Verringerung der Teilzeitquote

„Keine Urlaubsentgeltkürzung bei Arbeitszeitreduzierung“ Hinweise zu aktuellem BAG-Urteil mit Folgen für Teilzeitbeschäftigte im Geltungsbereich des TV-L

Wer in den vergangenen Monaten des Jahres 2018 seine Arbeitszeit herabgesetzt hat oder dies künftig plant und noch „Alt-Urlaub“ übrig hatte oder hat, kann von einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts profitieren. Die Vergütung des „Alt-Urlaubs“ muss der Höhe nach an der alten Arbeitszeit bemessen werden. Wer also zum Beispiel von Vollzeit auf eine 50 % Stelle reduziert hat und noch 30 Urlaubstage aus der Vollzeit in die Teilzeit mitbringt, erhält für die 30 Urlaubstage das volle Entgelt und nicht 50%.
 
Hintergrund Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat mit Urteil vom 20. März 2018 (BAG Urteil v. 20.3.2018 – 9 AZR 486/17 –) festgestellt, dass § 26 Abs. 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L (Entgeltfortzahlung bei Urlaub) wegen einer mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften nichtig sind, soweit das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin, der oder die nach Verringerung seiner/ihrer wöchentlichen Regelarbeitszeit den Urlaub antritt, auch in denjenigen Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen wird, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt. Bei Beschäftigten, die ihre regelmäßige Arbeitszeit reduzieren, muss sichergestellt sein, dass sie für „Alt-Urlaub“, den sie vor der Arbeitszeitreduzierung erworben haben, mindestens das Entgelt erhalten, das sie erhalten hätten, wenn sie den Urlaub vor der Arbeitszeitverringerung genommen hätten. Die hiervon abweichende tarifvertragliche Regelung (§ 26 Abs.1 Satz 1 TV-L und § 21 Satz 1 TV-L) ist wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften gem. § 4 Abs. 1 TzBfG i.V.m. § 134 BGB unwirksam.  Die Entscheidung ist auf die gleichlautenden Regelungen im TVöD und im TV-H übertragbar.

Zum Sachverhalt  Der folgende Sachverhalt wurde stark verkürzt: Die Klägerin war bis zum 31. Juli 2015 mit einer Teilzeitquote von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beim beklagten Land beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet für das Arbeitsverhältnis der TV-L Anwendung. Zum 1. August 2015 verringerte die Klägerin ihre regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 20/40 einer Vollzeitkraft unter Beibehaltung der 5Tage-Woche. Von 10. August 2015 bis 22. Februar 2016 erteilte das beklagte Land der Klägerin an insgesamt 47 Arbeitstagen Urlaub. Dieser Urlaub stammte aus der Zeit vor der Reduzierung der Arbeitszeit der Klägerin auf 20/40 einer Vollzeitkraft. Das Urlaubsentgelt berechnete das beklagte Land auf Grundlage der aktuellen Teilzeitquote mit dem hälftigen Bruttoentgelt einer Vollzeitkraft. Nach Auffassung des beklagten Landes ergebe sich die Urlaubsentgelthöhe aus dem in § 21 Satz 1 TV-L tarifierten Entgeltausfallprinzip. Die Klägerin verlangte hingegen, das Urlaubsentgelt auf der Grundlage ihrer vormaligen Arbeitszeit im Umfang von 35/40 der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft zu berechnen, da der Urlaubsanspruch von 47 Tagen aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung (vom 1. August 2015 auf 20/40 einer Vollzeitkraft) stammt.
 
Zum Urteil Das Bundesarbeitsgericht gab der Klägerin recht.  Wer die Rechtsprechung des EuGHs zum Urlaubsrecht aufmerksam verfolgt, sieht sich in der Entscheidung des BAG bestätigt. Der EuGH hat bereits in der so genannten „Tirol-Entscheidung“ (Urteil vom 22.04.2010, RS. D-486/08) festgestellt, dass Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass die Inanspruchnahme des Jahresurlaubs zu einer späteren Zeit als dem Bezugszeitraum in keiner Beziehung zu der in der späteren Zeit vom Arbeitnehmer erbrachten Arbeitszeit steht. Konsequent stellt nun das BAG fest, dass der Urlaubsentgeltanspruch genauso behandelt werden muss und daher nicht die aktuelle Arbeitszeit für die Entgelthöhe während des Urlaubs heranzuziehen ist, sondern das zu der Zeit der Entstehung des Urlaubsanspruchs vorliegende Arbeitszeitregime maßgeblich ist. Dahinter steht der Rechtsgedanke „einmal erworbener Urlaub bleibt unangetastet“.
 
Der TV-L diskriminiert insoweit Teilzeitbeschäftigte, da dort allein der Beschäftigungsumfang während des Urlaubszeitraums maßgeblich ist. Das BAG stellt fest, dass diese tarifvertragliche Regelung dem unionsrechtlichen Diskriminierungsschutz von Teilzeitbeschäftigten widerspricht und daher nicht angewendet werden kann und auch nicht mithilfe einer Auslegung als unionsrechtskonform betrachtet werden kann.
 
Konsequenzen für die Praxis Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit reduziert und noch nicht verbrauchte Urlaubstage haben, die aus der Zeit vor der Reduzierung der Arbeitszeit stammen („Alt-Urlaub“), sollten darauf achten, dass diese Urlaubstage entsprechend ihres damaligen Beschäftigungsumfangs vergütet werden und nicht nach dem aktuellen Beschäftigungsumfang. Für bereits verbrauchten Urlaub ist die sechsmonatige Ausschlussfrist gem. § 37 Abs. 1 TV-L zu beachten. Fristauslösendes Ereignis ist die Auszahlung des zu geringen Urlaubsentgelts.
 
Wer seine Urlaubsentgeltberechnung für fehlerhaft hält, sollte einen entsprechenden Antrag bei seinem Arbeitgeber stellen. Hiernach steht den Einzelmitgliedern unserer Fachgewerkschaften die Möglichkeit offen, gewerkschaftlichen Rechtsschutz über die dbb Dienstleistungszentren in Anspruch zu nehmen.   

Quelle: dbb beamtenbund und tarifunion, Volker Geyer, Stellv. Bundesvorsitzender, Fachvorstand Tarifpolitik