22. Oktober 2019

Bildungsgerechtigkeit

IQB-Bildungstrend zeigt: Bildungschancen bleiben nach wie vor wohnortabhängig

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„Es ist Verdienst der vielen engagierten Lehrkräfte, Schulleitungen und weiteren pädagogischen Fachkräfte, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler national betrachtet relativ stabil gehalten werden konnten.

Bedenkt man, welche Herausforderungen in den letzten sechs Jahren an die Sekundarschulen herangetragen wurden, ist das eine Mammutaufgabe gewesen. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass Lehrkräfte ihren Beruf lieben und nicht die Schülerinnen und Schüler selbst als Herausforderung ansehen, sondern die Strukturen im Bildungssystem und die fehlenden Gelingensbedingungen, um alle Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Fertigkeiten individuell zu fördern. Die größten Belastungsfaktoren für Lehrkräfte haben wir zuletzt in der von uns in Auftrag gegebenen, repräsentativen forsa-Umfrage unter Schulleitungen, die im März 2019 veröffentlicht wurde, erfahren. Diese sehen Schulleitungen in dem stetig wachsenden Aufgabenspektrum (91 Prozent) und den steigenden Verwaltungsarbeiten (88 Prozent). Zudem sehen es 86 Prozent der Befragten als belastend an, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. Wenn sich die Kultusministerien jetzt also damit rühmen, dass die Ergebnisse von 2012 einigermaßen stabil gehalten werden konnten, sollten sie hier ansetzen. Das Klein-Klein an reaktiven Maßnahmen, die umgesetzt werden, wenn der Druck aus der Lehrerschaft zu groß wird, muss endlich verantwortungsvoller Bildungspolitik weichen. Diese muss sich daran orientieren, Ressourcen entsprechend der tatsächlichen und zukünftigen Aufgaben von Schule bereitzustellen“, fordert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), als Reaktion auf die heute veröffentlichten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2018. 

Es ist auffällig, dass einzelne Länder stark negative Trends ausweisen. Am auffälligsten und durchgängig ist dies für Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Aber auch Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen weisen negative Abweichungen auf. Teilweise sogar signifikant verbessern konnten sich Baden-Württemberg, Bayern und auch Nordrhein-Westfalen. Auffällig sind auch die starken Unterschiede im Erreichen der Standards. Während in Sachsen, Bayern und Thüringen weniger als 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards im Fach Mathematik nicht erreichen, sind es in Bremen 40 Prozent. Erreichen in Sachsen und Bayern die Schülerinnen und Schüler an Gymnasien zu über 90 Prozent den Regelstandard im Fach Mathematik, schaffen das an Berliner und Bremer Gymnasien nur 2 von 3 Jugendlichen. Der Bundesvorsitzende stellt fest: „Auch der IQB-Bildungstrend 2018 zeigt, dass Bildungschancen weiter wohnortabhängig sind. Die im Grundgesetz verankerte `Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse` bleibt damit hohle Phrase. Das liegt aber nicht zuletzt auch an den sehr unterschiedlichen Ausgangsbedingungen. Bildungspolitik muss immer auch im Kontext gesehen werden: Je mehr Herausforderungen an Schulen herangetragen werden, desto mehr Ressourcen benötigen diese. Die Förderung mit der Gießkanne, die Verteilung gleicher Ressourcen entspricht nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Das beste Mittel, um Bildungsgerechtigkeit herzustellen, ist die Bereitstellung von Gelingensbedingungen für die individuelle Förderung. Das braucht aber deutlich mehr Ressourcen. Die Politik ist in der Pflicht. Das heißt aber auch: Maßnahmen, die vom Bildungsministerium erarbeitet werden, dürfen nicht beständig an dem Widerstand der Finanzministerien scheitern.“