Angesichts der Ankündigung von Schulschließungen in Deutschland ab Mittwoch, den 16.12.2020, stellt der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, sechs Kernforderungen:
1. Relevanz der Schulschließung deutlich machen
„Wir erwarten von der Politik, dass ganz klar gesagt wird: ‚Die Notbetreuung ist kein Wechselunterricht durch die Hintertür.‘ Sie müssen deutlich machen, dass die Schülerinnen und Schüler, wenn immer möglich, zu Hause bleiben und, wenn notwendig, dort betreut werden sollten. Das Infektionsgeschehen in der Gesamtgesellschaft muss auch in der Schule unterbunden werden. Dafür muss zum einen die Ankündigung, dass Eltern Anspruch auf bezahlte Urlaubstage haben, schnell konkretisiert werden. Zum anderen müssen Arbeitgeber Homeoffice und flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Zudem muss der konkrete Anspruch auf die Notbetreuung ausdefiniert werden. Es wird berichtet, dass zunächst abgewartet wird, wie viele Kinder kommen, um dann ggf. Kriterien der Bedürftigkeit einer Betreuung anzuwenden. Hier braucht es Klarheit.“
2. Ehrlich machen und Expertise der Lehrkräfte vertrauen
„Nur 6 Prozent der Schulleitungen in Deutschland berichteten in unserer aktuellen forsa-Umfrage, dass alle Schülerinnen und Schüler ihrer Schule ein digitales Endgerät haben. Die Politik provoziert Unmut, wenn unter diesen Umständen ein ‚digitaler Unterricht‘ angekündigt wird. Es werden Erwartungen geschürt, die von den Lehrkräften nicht eingelöst werden können. Zudem bleibt es dabei: Die Digitalisierung ist kein Allheilmittel. Gerade in einer Zeit, die von Umbrüchen geprägt ist, kann das eingeübte Arbeiten mit Wochenplänen und Arbeitsblättern zielführender sein als eine Videokonferenz.“
3. Kinder- und Jugendschutz gewährleisten und aufeinander achten
„Wir wissen, dass während der ersten Schulschließungen die Vorfälle häuslicher Gewalt deutlich zugenommen haben. Für Familien, in denen Streit oder Vernachlässigung schon immer zum Alltag gehörten, kann die aktuelle Krise zur Zerreißprobe werden. Leidtragende sind oft die Kinder.
Sie haben in Zeiten der Schließungen von Schulen und Kitas keine Chance mehr, für ein paar Stunden in die Normalität und den Schutzraum von Schule oder Kindergarten abzutauchen. Zum einen muss daher die Arbeit der Jugendämter rund um die Uhr ermöglicht und unterstützt werden. Zum anderen sind wir alle gefragt, aufeinander zu achten! ‚Hinsehen und handeln‘ muss die Devise im Lockdown sein.“
4. Impfschutz für Lehrkräfte priorisieren
„Die Priorisierung des Bildungssystems und der Fokus auf Offenhaltung der Schulen muss sich neben der Umsetzung bestmöglicher Maßnahmen zum Gesundheits- und Infektionsschutz auch darin zeigen, dass sich Lehrkräfte priorisiert impfen lassen können. Die aktuelle Einteilung laut RKI in Impfgruppe 4 könnte dem entgegenstehen.“
5. Zeit nutzen und konkrete Szenarien entwickeln
„Die Kultusministerien sind in der Pflicht, konkrete Perspektiven für das laufende Schuljahr, die zu erwerbenden Kompetenzen und abzulegenden Prüfungen zu entwickeln. Entsprechende Planungen müssen sich an den vorhandenen Ressourcen an den Schulen orientieren. Dafür ist es notwendig, die Entscheidungen an der tatsächlichen Realität auszurichten. Dies gelingt durch die Partizipation der demokratisch gewählten Interessenvertretungen der Lehrkräfte.“
6. Lehrkräftebedarf nachhaltig decken
„Über allem schwebt der massive Lehrkräftemangel. Deshalb ist es dringend notwendig, dass die Kultusministerinnen und Kultusminister nachhaltige Strategien zur Gewinnung von originär ausgebildeten Lehrkräften und deren Gesundhaltung im System Schule entwickeln.
Es wird dabei nicht ausreichen, nur die Anzahl an Studienplätzen zu erhöhen, ohne die Qualität der Lehre zu sichern.“