04. September 2017
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Bundesweit rapide wachsende Zahlen an Seiteneinsteigern

Pädagogische Misere spitzt sich weiter zu

„Es gibt im Schulbereich eine hohe Zahl an Seiteneinsteigern und diese werden oftmals nicht oder ungenügend auf die pädagogischen Herausforderungen vorbereitet.

Der Lehrermangel führt zu einer absurden Abwägung zwischen Unterrichtsversorgung und dem Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf pädagogische Qualität“, stellt Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) zu den aktuellen Medienberichten zu Lehrermangel und Seiteneinsteigern fest.

Er sagt: „Verantwortlich für diese Misere ist die Politik. Die momentane Situation hat sich nämlich über Jahre aufgeschaukelt. Erst wurden zu niedrige Schülerzahlprognosen gestellt, dann darauf basierend, auch unabhängig von der Zuwanderung, zu wenige Lehrkräfte ausgebildet und nun, in Zeiten des sich immer weiter verstärkenden Lehrermangels, werden Seiteneinsteiger in immenser Anzahl in das Bildungssystem gegeben. Fatal ist, dass das, was ursprünglich als Notlösung gedacht war, inzwischen zur Regel und damit Teil der Planung der Ministerien geworden ist. Unsere Gesundheit würden wir nicht in die Hände von Ärzten legen, die keine entsprechende Qualifizierung haben – aber bei unseren Kindern kümmert die Politik diese halb gare Ausbildung anscheinend nicht. Das ist aus Sicht der Kinder schlichtweg unterlassene Hilfeleistung.“

In Berlin sind mittlerweile 53 Prozent der neu eingestellten Lehrkräfte an Grundschulen Seiteneinsteiger, in Sachsen sind mehr als die Hälfte aller neu eingestellten Lehrer Seiteneinsteiger (Bericht Sächsische Zeitung). Bei den bisherigen Einstellungen in Nordrhein-Westfalen lag die Quote von Seiteneinsteigern bei knapp 10 Prozent, es ist davon auszugehen, dass bei der Besetzung noch offener Stellen die Quote im Grundschulbereich auf bis zu 30 Prozent steigt.

Beckmann bemängelt: „Qualifizierung? Fehlanzeige! Obwohl jede Studie zeigt, dass es auf die professionelle Qualität der Lehrkraft und des Unterrichts ankommt, werden Personen ohne pädagogische Vorbildung direkt oder nach kurzer Qualifizierung eingesetzt. Für die Profession der Lehrkräfte ist das ein verheerendes Zeichen, sagt es doch: Was die in fünf, sechs Jahren im Studium lernen, können andere ad hoc. Auch für die Seiteneinsteiger ist es natürlich von Vorteil, wenn sie pädagogisch qualifiziert werden. So, wie es momentan läuft, wird manches Scheitern von der Politik billigend in Kauf genommen“, mahnt Beckmann.

„Um dem Lehrermangel endlich Herr zu werden, braucht es realistische Schülerzahlprognosen, die auch Mehrbedarfe, die aufgrund von Inklusion und Integration entstehen, einbeziehen. Zudem ist es notwendig, dass sich jedes Bundesland verpflichtet, ausreichende Studienkapazitäten zu schaffen, um den eigenen Bedarf für alle Schulformen zu decken. Und nicht zuletzt muss der Lehrerberuf so attraktiv gestaltet werden, dass ihn viele junge Menschen gerne ausüben möchten. Dazu gehört die Bereitstellung der Gelingensbedingungen genauso wie gute Perspektiven durch Fort- und Weiterbildung innerhalb der Dienstzeit und vor allem eine angemessene Einstiegsvergütung nach A13/EG13, unabhängig von Schulform und –stufe", fordert der VBE-Bundesvorsitzende. Außerdem rät Beckmann zum Vorausdenken: „Da die Politik auch im nächsten Jahr sicherlich wieder Seiteneinsteiger einstellen muss, sollte sie sich schon jetzt auf die Suche begeben, damit eine mindestens halbjährige Vorbereitungsphase und nachfolgende berufsbegleitende Weiterqualifizierung umgesetzt werden. Zudem erwarten wir von der KMK eine Planung, wie sie zeitnah aus der Misere herauskommen will.“ ♦

VBE PD 34