21. November 2016
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Forsa-Umfrage

Gewalt gegen Lehrkräfte

Gewalt gegen Lehrerinnen und Lehrer durch Schüler oder Eltern ist nichts Neues. Neu ist, dass durch die repräsentative forsa-Umfrage „Gewalt gegen Lehrkräfte“ jetzt endlich konkrete Zahlen auf dem Tisch liegen, die auch die Senatsbildungsverwaltung in Berlin nicht kleinreden kann. Seit Jahren beklagt der VBE Berlin die Verrohung der Sprache in der Berliner Schule, aber auch die Form der Auseinandersetzung. Das betrifft nicht nur Schüler untereinander, sondern auch den Umgang von Schülern und Eltern gegenüber Lehrkräften.

 

In der Morgenpost spielt die Sprecherin der Bildungssenatorin, Frau Stoffers, die Ergebnisse herunter, in dem sie mitteilt, dass von den 560 im letzten Jahr gemeldeten Vorfällen – die Dunkelziffer dürfte wohl viel höher sein - „nur“ rund 85 % der Gefährdungsstufe I anzusiedeln sind. Die Senatsverwaltung teilt die Gefährdungsmeldungen in drei Gefährdungsgrade ein:

Gefährdungsgrad I:  Betrifft Beleidigung, Drohung, Tätlichkeit, Mobbing, Suchtmittelkonsum, Suizidäußerungen und- ankündigungen, Tod von Schulangehörigen.

Gefährdungsgrad II:  Umfasst Amokdrohung, Bedrohung, Nötigung, Erpressung, Raub, schwere körperliche Gewalt, sexuelle Übergriffe, Übergriffe auf Schulpersonal usw.

Gefährdungsgrad III: Bezieht sich auf Brandfall, Epidemie/Vergiftungen, Geiselnahme, Sprengsätze, Suizid/Tod in der Schule, Waffengebrauch.

Schaut man sich die einzelnen Gefährdungsgrade an, so stellt man fest, dass Beleidigung, Drohung und Tätlichkeit und Mobbing in den Gefährdungsgrad I gehören, Übergriffe auf Schulpersonal aber in den Gefährdungsgrad II. Worin besteht bitte der Unterschied?

Laut Studie sehen 57 % der Befragten das Thema „Gewalt gegen Lehrkräfte“ als Tabuthema an. Gründe dafür sind fehlende Rückendeckung durch die Schulleitungen, die den Ruf ihrer Schule in Gefahr sehen, die geringe Aussicht auf Erfolg, wenn man gegen Täter vorgeht, Angst vor zerkratzten Autos oder durchstochenen Reifen, Angst aber auch davor, zum Gesprächsgegenstand der Schule zu werden. Schulaufsicht und Senatsverwaltung nehmen Meldungen über Gewalttätigkeiten gegenüber Lehrkräften an und heften sie für die Statistik ab.

Das ist aber keine Lösung und hilft keinem der Betroffenen.

Was wir brauchen sind Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, die nicht Stück für Stück durchlaufen werden müssen, sondern sofort greifen, je nach Schwere des Falles. Eine enge Zusammenarbeit mit Polizei, Jugendamt und Familienhilfe sowie Jugendgerichten ist unabdingbar. Auf jeden Regelverstoß muss schnell und konsequent reagiert werden, auch gegen Eltern oder andere Verwandte. Es kann nicht sein, dass Lehrer, besonders in der Grundschule, beim Übergang an die Oberschule, massiv von Eltern unter Druck gesetzt werden, weil sie die Kinder nach ihren Leistungen beurteilen und nicht nach der gewünschten Oberschulform. Wir haben in Berlin schon eine Reduzierung des Leistungsanspruches durch die Senatsbildungsverwaltung an der Grundschule erfahren (bei 45 % der Leistung noch eine 4 -), wir brauchen keinen Druck durch Eltern oder Schulleitungen immer die bessere Note zu geben. Es kann doch nicht sein, wenn Eltern es als Beschimpfung meinen, wenn sie sagen: „Sie sind ja bekannt dafür, dass man für ihre Zensuren Leistung erbringen muss!“  Ja, was denn sonst?

Besonders im Grundschulbereich gehen viele Lehrer davon aus, dass sie gegen Fehlverhalten der Schülerschaft nichts machen können, da die Schülerinnen und Schüler nicht strafmündig sind.

Das ist richtig! Aber, bei jeder Anzeige gegen Kinder unter 14 Jahren wird eine Akte angelegt, in der alle Anzeigen bis zur Strafmündigkeit aufbewahrt werden. Bei einer Verurteilung nach Strafmündigkeit steht der Schüler dann aber nicht mit einer weißen Weste da, sondern die vorliegenden Delikte werden bei der Strafzumessung berücksichtigt.

Die von Gewalt in jeder Form betroffenen Lehrerinnen und Lehrer sollten nicht resignieren, sich  nicht zurückziehen oder gar die Schuld bei sich selbst suchen. Schuld haben die, die es zugelassen haben, dass Eltern und Schüler durch Mitbestimmungsrechte mehr Einfluss haben als die Lehrerschaft. Schuld haben die Schulleitungen, die Schulaufsicht und die Senatsverwaltung, die sich nicht vor und hinter die Betroffenen stellen, sondern möglichst viel unter den Teppich kehren und vor den Anwälten der Eltern zurückschrecken. Wie würde eigentlich der angesprochene Personenkreis reagieren, wenn man gegen ihn diese Formen der Gewalt anwenden würde?

Im Grundgesetz der Republik Deutschland steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar! Dieser Grundwert muss auch für die Würde der Lehrerinnen und Lehrer gelten.

Heidrun Quandt

Gewalt gegen Lehrkräfte