12. März 2018

forsa-Umfrage zur Berufszufriedenheit

Mangelverwaltung vergrätzt insbesondere junge Schulleitungen

„Die neue Generation Schulleitung wird von Anfang an demoralisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass sie ihre Aufgaben weniger häufig zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen können.

Das ist alarmierend, sind sie es doch, die gerade frisch in die Schulleitung einsteigen und in der Regel noch ca. 30 Jahre in dieser Position arbeiten sollen. Die Politik darf vor diesen Zahlen nicht die Augen verschließen, sondern muss die Gelingensbedingungen für Schulleitungen deutlich verbessern“, kommentiert Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), die vom VBE in Auftrag gegebene forsa-Umfrage zur Berufszufriedenheit von Schulleitungen. Die bundesweite Umfrage und die Stichprobe für NRW wurden heute im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses 2018 in Düsseldorf vorgestellt. Eine weitere Stichprobe für Baden-Württemberg wurde in Stuttgart präsentiert.

In der Umfrage wurden bundesweit 1.200 Schulleitungen allgemeinbildender Schulen danach gefragt, wie zufrieden sie mit ihrem Beruf sind, ob sie ihn weiterempfehlen können, was die größten Belastungsfaktoren sind und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Außerdem war ein Themenschwerpunkt, welche Probleme es momentan an der Schule gibt, wie stark die Schule vom Lehrermangel betroffen ist und ob Seiteneinsteiger eingestellt wurden.

Beckmann betont die positive Grundeinstellung: „Trotz aller Hindernisse sind Schulleiter hoch motiviert und lieben ihren Beruf. Fast alle gehen sehr oder eher gerne zur Arbeit. Drei Viertel würden den Beruf weiterempfehlen und 83 Prozent können ihre beruflichen Aufgaben immer oder häufig zu ihrer eigenen Zufriedenheit erfüllen. Aber: Jede sechste Schulleitung sagt eben auch, dass sie ihre beruflichen Aufgaben nur gelegentlich, selten oder sogar nie zur eigenen Zufriedenheit erfüllen kann. Ich denke: Das liegt nicht am Idealismus der einzelnen Schulleitung, das liegt an den ständig neu hinzukommenden Aufgaben und steigenden Verwaltungsarbeiten gekoppelt mit einem unzureichenden Zeitbudget.“

82 Prozent der Schulleitungen geben an, dass es sie belastet, dass die Politik bei ihren Entscheidungen den tatsächlichen Schulalltag nicht ausreichend beachtet. Der VBE-Bundesvorsitzende kommentiert: „Kein Politiker darf erwarten, dass sich die riesigen Herausforderungen wie Inklusion und Integration, das Lernen in der digitalen Welt und der Lehrermangel bewältigen lassen, wenn Politik sich weiter weigert, das erforderliche Geld in die Hand zu nehmen. Politik muss sich endlich ehrlich machen und der Gesellschaft sagen, was tatsächlich an Gelingensbedingungen zur Aufgabenerfüllung benötigt wird und was sie liefern kann. So wie sie zurzeit agiert, lässt sie den Schulleiter öffentlich als Mangelverwalter im Regen stehen.“

Verbesserungsbedarf sehen die Schulleitungen vor allem in ihrer Entlastung –durch mehr Anrechnungsstunden für das Kollegium, eine deutliche Erhöhung der eigenen Leitungszeit und den Ausbau der erweiterten Schulleitung. Zudem wünscht sich jede dritte Schulleitung den Ausbau von Fortbildungsangeboten. „Darüber hinaus bleibt klar: Der Beruf muss sich lohnen. Schulleitung muss angemessen bezahlt werden. Es muss attraktiv sein, eine Schule zu leiten. Momentan ist Schulleitung Mangelverwaltung. Dass unter den bestehenden Umständen Stellen nicht besetzt werden können, sollte niemanden verwundern“, erklärt Beckmann.

Die Schulleitungen wurden außerdem danach befragt, ob sie vom Lehrermangel betroffen sind. Jede dritte Schulleitung bejaht dies. Von diesen gibt jede vierte Grundschulleitung an, mehr als 15 Prozent der offenen Stellen nicht besetzen zu können. Der VBE-Chef kommentiert: „Die Politik hat jahrelang verschlafen, die Ausbildungskapazitäten hochzusetzen, gleichzeitig wurden immer mehr Aufgaben an Schule herangetragen, sodass viele Lehrkräfte nur noch Teilzeit arbeiten können, um mit der Arbeitsbelastung haushalten zu können. Dieses Versagen muss schnellstmöglich korrigiert werden, indem mehr Studienplätze zur Verfügung gestellt, die Ausbildungsbedingungen und -ausgestaltung besser auf die pädagogischen Herausforderungen abgestimmt und den Schulen multiprofessionelle Teams an die Seite gestellt werden. Außerdem müssen für jede neue Anforderung, die die Politik an Schule stellt, die zusätzlichen Ressourcen bereitgestellt oder gesagt werden, was von den bisherigen Aufgaben wegfallen kann.“

Um den Lehrermangel zu kompensieren, werden an mehr als jeder dritten Schule Seiteneinsteiger eingesetzt. Die Schulleitungen, die dies tun, geben an, dass nur jeder dritte Seiteneinsteiger eine systematische, pädagogische Vorqualifizierung erhalten hat. Zudem weiß nur jede zweite Schulleitung davon zu berichten, dass die Seiteneinsteiger eine weitere, berufsbegleitende pädagogische Qualifizierung erhalten. Beckmann findet: „Das ist pädagogischer Wahnsinn. Die Politik ist es den Kindern und den neu hinzukommenden Fachkräften gleichermaßen schuldig, dass Seiteneinsteiger eine umfassende, mehrmonatige praxisnahe Vorqualifizierung erhalten, die ihnen grundlegende methodisch-didaktische und pädagogische Kompetenzen mitgibt, wenn wir nicht mittelfristig auf einen pädagogischen Kollaps zusteuern wollen. Wachsende Heterogenität und Diversität in den Lerngruppen macht nicht weniger, sondern mehr pädagogisches Know-how der Lehrkräfte erforderlich.“

Ein Ergebnis war außerdem, dass sich Schulleitungen durch den Austausch mit anderen unterstützt fühlen. Diese Möglichkeit schafft der Verband Bildung und Erziehung zusammen mit Wolters Kluwer Deutschland, indem sie bereits zum sechsten Mal gemeinsam den Deutschen Schulleiterkongress ausrichten. Geschäftsführer Michael Gloss sagt: „Es ist wichtig, die schulischen Führungskräfte bei den alltäglichen Herausforderungen wie Führung, Unterrichtsentwicklung, Qualität und Schulkultur zu unterstützen. Denn nur starke Schulen sind das Fundament einer erfolgreichen Zukunft.“ (VBE pd 21_18)